Oder: Drei Mal um vier aufstehen
Für einen älteren Herren wie mich sind Umstellungen manchmal nicht ganz so schnell zu bewältigen. Es bleibt allerdings in den meisten Fällen auch ohne schwerwiegende Folgen. Es ist nur blöd, wenn man 30 Jahre lange gewohnt ist, morgens aus dem Bett nach links aufzustehen, und da ist plötzlich eine Wand.
Und die gibt auch nicht nach!
Ich habe dann die andere Seite ausprobiert und das klappte dann aber recht gut. (Wovon redet der Mann??)
Es ist in unseren Kreisen bekannt, dass wir uns todesmutig (ich war auf einem Teil der Strecke der Fahrer!!) auf eine Mietbus - Reise in das Havelland begaben, dort nach der Vogelwelt schauten und auch übernachten mussten. Daher: s.o. Und es ist auch bekannt, dass zu einem streng wissenschaftlichen Bericht wie diesem, ein Prolog gehört! Oder??
Und nun zur Reise. Rainer Siegle hat, und das kann man nicht oft genug erwähnen, mit viel Geduld, Können und Sorgfalt die Reise nach Garz vorbereitet und geplant. Dass er mir nicht noch empfohlen hat, welche Lieblingszahnbürste ich mitnehmen soll, hat fast noch gefehlt. Es war ja zuerst an Sachsen gedacht, aber Horst Schlüter brachte Informationen ein, die eine Reise an die Havel sehenswerter erscheinen ließen. „M’r will jo au‘ was säha für sei‘ Gäld!“
Nach Zuteilung der Routen mit festen Abholzeiten machten sich Axel Prehl und ich als die beiden ersten Fahrer auf, die Leute morgens mit den beiden Bussen einzusammeln. Äußerst bemerkenswert schien mir, dass ausnahmslos nur fröhliche, erwartungsfrohe und unternehmungslustige Gesichter an den Straßenrändern erschienen, trotz frühem Aufstehen. Dann düsten die Mietbusse voll besetzt in Richtung Norden. Vollbesetzt? Nein, beim blauen Bus fehlte eine Person, eine, die unbedingt mitmachen wollte. Daran sieht man schon, wie beliebt wir sind!! Und wenn die geschätzte Leserschaft glaubt, ich tue diesen Nachklatsch mit ein paar Sätzen ab, hat sie sich getäuscht, aber sowas von...! Ich schreibe deshalb auch etwas ausführlicher, damit uns in späteren Jahren verblasste Erinnerungen wieder erweckt werden können (man wird ja älter...).
Der Herrgott hatte mit uns ein Einsehen, nicht nur, was das Wetter anbetraf, auch sind wir gesund und munter (munter?) wieder zu Hause angekommen. Bei guter Stimmung, einigen Vesper- und Fahrerwechselpausen trafen wir dann in Brandenburg an der Havel ein und nahmen vom Bahnhof Christoph Völlm mit. Er studiert in Greifswald und kam mit dem Zug pünktlich an, wir sowieso!! Durch die schöne, flache Kulturlandschaft ging es dann zu unserem Quartier bei der Schleuse in Garz, wo uns die Familie Froreck mit Kaffee und Kuchen herzlich begrüßte.
Kurzer Zimmerbezug und Beine vertreten nach der andauernden Fahrt, die eigentlich jedem dann irgendwie wieder nicht so lange (insgesamt 10 Std.) vorkam. Christoph Schmidt begleitete mich ein halbes Stündchen auf dem Pfad über die nahegelegenen Wiesen und zeigte mir verschiedene am Havelkanal stehende Weiden, andere Pflanzen und Vögel. Du meine Güte, was in diesem, mir seither fast unbekannten Mann an Wissen steckt! Er bekommt hiermit von mir die Silbermedaille: „Salix alba“!!
Die ganze Gruppe schleppte sich noch am späteren Nachmittag in das „Zeckenschutzgebiet“ an der Havel. Doch, so nenne ich das immer, wenn man durch hohes Gras stapfen muss, und diese Viecher sich an einem gütlich tun wollen. Herr Froreck machte den Ausflug mit einer charmant schnodderigen „Berliner Schnauze“, zeigte aber auch auf, dass er sehr wohl Bescheid über die Natur an der Havel wusste.
Nach dem Abendessen (was? Roulade mit allerlei Gemüsen, lecker) zeigten dann Hannelore und Axel Prehl einen langweiligen Diavortrag über deren Reise nach Spanien. Und das glaubt jetzt jemand??? Nö! Wieder raus in die Natur! Nach dem Ziegenmelker suchen! War leider nichts, aber jede Menge Wachteln haben wir u.a. gehört. Und Johannes Völlm und seine Söhne Christoph und Jochen waren in ihrem Metier!! Der Schreiberling war übrigens mit ihnen und deren Großvater Eugen im Ferienhaus untergebracht. Das war ein Fehler!!
Nein, nein, nicht wegen der Familie Völlm, wegen der Weckzeiten! Aber davon später. Vielleicht. Wenn ich nicht zuuu müde bin. Wir fünf Männer sind wunderbar miteinander klar gekommen, beinahe wurde ich sogar adoptiert......
Der Freitag begann mit ohne Frühstück, denn zum „ersten Büchsenlicht“ waren wir (die eine Hälfte der Gruppe) schon wieder am Nordufer des Gülper Sees, zum „Wandern“. In ca. 4 Stunden so insgesamt 300 m Strecke bei null Höhenmetern. Wir mussten aufpassen, dass uns die größeren Vögel nicht für Schnecken hielten, und so hatten wir noch Ferngläser und Spektive dabei, um uns zur Not wehren zu können (Spässle!). Klar, im Wandern nicht, aber im Gucken insgesamt waren wir großartig! Horst wird die Liste nachreichen, so um die 120 (!) kamen wohl zusammen in den knapp 3 Tagen. Er muss bestimmt zum Arzt, denn er hat wohl Brandblasen vom Schreiben an den Fingern....
Fotos wird es auch auf unserer „Heimatseite“ im Internet geben. Wer einen „Klapprechner“ hat, kann ja mal nachschauen, was man alles auf der „Homepeitsch“ zusammengetragen hat (Gags während der Reise).
Apropos „zusammen“: Mit dabei waren im weißen Bus Werner Fleischmann, Hannelore und Axel Prehl, Horst Schlüter (auch Fahrer), Eugen, Johannes, Christoph und Jochen Völlm, Inge und Walter (ist auch gefahren) Weinbrenner. Im blauen Fahrzeug dann Karin und Bernhard Aichinger, Anneliese Beerstecher, Wolfgang Reimund (hat zwischendurch auch chauffiert) mit Gudrun Schaller, Christoph Schmidt, Rainer Siegle (der fuhr fast dauernd), sowie der „Hofberichtbestatter“ William Patrick.
Dann gings zurück zum Frühstück mit vielen schmackigen Sachen, denn auch Nichtstun macht Hunger. Wir tauschten dann mit der „weißen“ Gruppe, die sich schon an frühen Morgen einen „faulen Lenz“ machten - obwohl wir doch schon im „Brachet“ lebten - und sich von Herrn Froreck auf der Havel spazieren schippern ließen. Sitzender Weise konnten wir dann in zweiter Schicht bei prallem Sonnenschein, mit gestärktem Mut und vollem Bäuchlein die Natur in ihrer ganzen Pracht bewundern. Vom Beutelmeisennest bis zum Eisvogel nahmen wir staunend die Vogelwelt auf. Zauberhafte Ausblicke auf über unseren Köpfen fliegenden Rot- und Schwarzmilanen, Störchen und Kiebitzen, um nur einige zu nennen, machten diesen Ausflug zum unwiederbringlichen Erlebnis!
Aufsitzen nach dem Grillabend und Fahrt zur Großtrappen – Betreuungsstation bei Buckow. Es wurde über die Arbeit der Gruppe berichtet, die Mühen, die sie mit den Behörden und den einzelnen Bauern hat und dann die wunderschönen Filmaufnahmen über das Balzen der männlichen Großtrappen. Ich werde mir hier meinen Kommentar ersparen, sonst verwackle ich die Schrift beim Lachen.
Hinaus in die Natur und rauf auf den Aussichtsturm mitten im Feld. Die Trappen sind wohl sehr scheue Tiere und man konnte sie nur aus großer Entfernung erkennen, sehr beeindruckend! Die Balzversuche wurden von den Hähnen leider immer wieder abgebrochen, denen geht es wohl auch wie uns im richtigen Leben...
Nach der Rückkehr saß man noch ein wenig zusammen und dann „Gut’s Nächtle!“.
Und nun zu der Geschichte mit den Völlms: Es ist leider so, dass mir nie jemand etwas glaubt, wenn ich eine Beobachtung mache. Ich erinnere hier nur an den Blutspecht!!!!!! Und die Völlms, die mich zwar noch nicht kannten, aber mir SOFORT Glauben schenkten, wollten endlich den Ortolan sehen, den sie am Morgen verpassten. Das war der oben erwähnte Fehler, denn ich erklärte mich bereit, am nächsten Morgen die Beobachtungsstelle in der Frühe gemeinsam – ohne den Rest der Gruppe – aufzusuchen. Ergo: Raus um fünf! Die Anderen durften alle erst um neun Uhr zum Frühstück erscheinen und a u s s c h l a f e n.
Ätsch, es hat sich für mich unheimlich gelohnt! Ich hatte die volle Aufmerksamkeit, wie ein trotziges Kind von seinen Eltern. Die drei kümmerten sich intensiv um meine Defizite und ich hatte große Mühe, mich mit dem „Ich bin Otto Ortolan“ – Ruf zu bedanken. Es hat aber am Schluss noch wunderbar geklappt, selbst der dort tüchtige Biber war voll fasziniert. Und dann zurück zum Frühstück.
Der Kalorienschub war nötig und die Busse brachten uns danach zum Südufer des Gülper Sees, wo wir ausgiebig nach den Seevögeln Ausschau hielten. Die Heidelerche gehört zwar nicht dazu, aber war schon ein besonderer Höhepunkt. Nach strammem Herumstehen fuhren wir weiter in das Gebiet südlich von Gülpe, wo ich dringend mal die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf den ehemals sozialistischen Betonplattenwegen ausprobieren wollte. Leider wurde ich von allen massiv daran gehindert, denn man wolle doch die Vögel beobachten. Pfffh!!
Es regte sich auch in dieser Landschaft unheimlich viel, bemerkenswert waren die endlosen Kornfelder mit ihren Mohn - und Kornblumen. Buntspecht, Kormoran, Nebelkrähe und Kranich erfreuten uns zusammen mit der Schafstelze immer wieder aufs Neue.
Zum Kaffee war man dann wieder zurück und die Wirtin fütterte uns ausgiebig mit Streuselkuchen. Bis zum Abendessen war noch Zeit und so marschierten Jochen Völlm und ich an der Havel entlang und schauten endlich einmal auch nach den Vögeln! Kleinspecht, Neuntöter und Pirol „säumten“ unseren Weg und ein paar Pflänzchen, wie der Bittersüße Nachtschatten und Echte Nelkenwurz, fahnden auch unsere Zuneigung. Tolpatschig wie wir waren, haben wir offensichtlich das junge Glück von Weinbrenners und auch von Prehls gestört, die sich in der Natur.....pssst......
Verregnete Pizza ist nicht jedermanns Sache, und so hatte der ältere Herr in den Wolken ein Einsehen: Es tröpfelte erst nach dem köstlichen Essen.
Eine weitere kurze Busfahrt brachte uns zum einem Aussichtsturm halbwegs nach Havelberg, wo eine Hälfte der Gruppe bis in die Dämmerung hinein Flugfähiges ausspionierte, und auch nach langem Sehnen endlich die Sperbergrasmücke erkennen durften. Der andere Teil schaute sich Havelberg an, der Dom ist allemal imposant, leider war er schon verschlossen.
Am nächsten Tag erfolgte die Rückreise, Christoph Völlm wurde noch zum Bahnhof nach Brandenburg gebracht und man musste schon genau hinsehen, ob jetzt der riesige Rucksack den Christoph mitnahm oder umgekehrt. Dann brausten wir heim.
Etwas möchte ich zum Ende noch unbedingt sagen. Trotz unterschiedlichem Charakter und Alter, und oft anderer, vielschichtiger Interessen lief die ganze Reise sehr harmonisch und humorvoll ab. Dass die Leute zu Beginn einer solchen Unternehmung fröhlich sind, ist wohl normal. Diskussionen finden unter Fachleuten immer statt, sind sogar nötig. Dass man sich aber gegen Ende immer noch prima, oder gar besser versteht ist nicht selbstverständlich! Nicht nur die ausgezeichnete Planung von Rainer Siegle bildete die Grundlage dafür, auch jeder Einzelne trug zu dieser erfolgreichen Reise bei.
Dafür möchte ich mich bei allen herzlich bedanken!
William
Patrick 12.06.2007