Presse Echo
Aus der Winnender Zeitung
Stadt Winnenden
24.04.1999

Trockenmauern beschädigt

An einem von Naturschützern gepflegten kostbaren Biotop wurden Steine herausgerissen

Von unserem Redaktionsmitglied Hans-Joachim Schechinger

Auch wenn es nur Lausbuben gewesen sein sollten: Ein harmloser dummer Jungenstreich ist es beileibe nicht, was an den Trockenmauern am Sonnenberg angerichtet wurde. Naturschutzbund und Polizei appellieren an die Bevölkerung, Hinweise in dem Fall zu geben.

Die schon vor Ostern aus einer oben am Hang gelegenen Trockenmauer herausgerissenen Steine liegen wild über die Wiese verstreut. Der Naturschutzbund Winnenden hat Strafanzeige erstattet. Noch tappt die Polizei bei ihren Ermittlungen gegen Unbekannt im dunkeln. Es könnte ein böser Lausbubenstreich sein; Ermittler und Naturschützer wollen nicht ausschließen, daß ein Zusammenhang mit anderen Zerstörungen in Gärten am Sonnenberg besteht, von denen bis dato nichts bekannt ist. Ein anderer Verdacht des Naturschutzbundes knüpft an Beschädigungen an, die seit einiger Zeit wiederholt an den tiefer gelegenen Mauern einschließlich jener am bergseitigen Wegrand angerichtet worden sind. Dort haben aus dem Stützwerk Unbekannte immer wieder Steine einzeln herausgebrochen, Erde und wucherndes Gewächs über den Decksteinen ohne Fragen abgetragen. Hat sich an den zum Weg hin hangabwärts stehenden Trockenmauern jemand privat bedient, um sein eigenes Mäuerchen zu komplettieren? Der NABU hegt diesen Verdacht. Ob es aber einen Zusammenhang mit den aktuellen Zerstörungen gibt, ist offen, aus Sicht der Polizei sogar fraglich. Sie bittet um Hinweise aus der Bevölkerung. Zeugenaussagen nimmt das Polizeirevier Winnenden (Telefon: 6940) entgegen.

Trockenmauern, das weiß jedes Kind, sind Lebensräume für seltene Pflanzen und Tiere. Wer Steine herausreißt, zerstört Lebensgrundlagen. Die Mauern der terrassierten Streuobstwiesen am Sonnenberg in Breuningsweiler bieten der sehr seltenen Schlingnatter Unterschlupf, einer ganz harmlosen Schlange, die häufig mit der Kreuzotter verwechselt wird und stark bedroht ist. Auf dem 25 Hektar großen Gelände finden sich Pflanzen, die es sonst in Baden-Württemberg nirgendwo mehr gibt, zum Beispiel die "Kassubische Wicke". Für die seltene "Gelbe Wicke" sind außer den Streuobstwiesen am Sonnenberg im Land Baden-Württemberg nur noch zwei Standorte bekannt, an denen sie überlebt hat. Die in den Wiesen blühende "Mondraute" hat im Rems-Murr-Kreis Alleinvertretungsanspruch. Bedrohte Raritäten sind der "Milchstern" und die "Behaartfrüchtige Platterbse". Der Naturschutzbund Winnenden kümmert sich um das wertvolle Biotop, das er eigens gepachtet hat. Seine Mitglieder pflegen es extensiv, will sagen: einmal im Jahr wird das frei zugängliche Areal gemäht und abgeräumt.

Warum gedeihen gerade an dieser Stelle am mittleren Sonnenberg so seltene Gewächse? Die "Kassubische Wicke" hat offenbar ein Winnender Botaniker schon in den 50er Jahren in der Nähe des Haselsteins gefunden. Der Standort ist verschwunden, dafür gibt es jetzt den neuen, den einzigen in Baden-Württemberg. "Irgendwas ist im Boden, was den Pflanzen gut tut", vermutet Horst Schlüter, der NABU-Vorsitzende.