Aus der Winnender Zeitung

Stadt Winnenden
18.02.2002

von Alexander Schlüter

Für Kröten gehen Naturschützer in die Knie

Amphibienwanderung früher als sonst: NABU Winnenden hat die Schutzzäune in Berglen nun aufgestellt

Für Kröten, Molche und Frösche gingen am Samstagvormittag sechs Freiwillige in die Knie. Vor allem Mitglieder des Naturschutzbund Winnenden und vom BUND-Ortsverein Berglen schafften wie hier bei Hößlinswart: Sie brachten an drei „Wanderrouten“ engmaschige, etwa 20 Zentimeter hohe Zäunchen an, an denen sich die zum Laichgewässer drängenden Amphibien fangen. Abends, gegen 20 Uhr, holen wiederum freiwillige Helfer die liebestollen Kröten ab und tragen sie über die Straße. Daher gilt in Zeiten der Krötenwanderung Tempo 40Milde Nachttemperaturen haben in der vergangenen Woche Amphibien aus ihren Erdverstecken gelockt. Sie machen sich auf zur Paarung und zum Laichen, was wir kurz als Krötenwanderung bezeichnen. In Winnenden und Umgebung stellte der NABU nun die ersten Zäune zum Schutz der Wanderlustigen auf.
 
Früher als sonst wandern in diesem Jahr die Kröten, Molche und Frösche, denn das Klima war für die Jahreszeit auf einmal sehr mild (wir berichteten auf unserer Seite Rund um Winnenden). Also stehen schon seit einer Weile Schilder an der Straße, die Autofahrer an den „Krötenwanderwegen“ zunächst warnen und erinnern sollen. Wenn die Massenwanderung tatsächlich einsetzt, dreht Günter Blessing vom BUND Berglen die Schilder herum, und von da an gilt in der Wanderzone Tempo 40.

BUND und NABU machen für die Kröten gemeinsame Sache. Für die Schilder und fürs abendliche Einsammeln der Amphibien zeichnen BUND-Mitglieder, fürs Aufstellen der 20 Zentimeter hohen Schutzzäune die Helfer des NABU plus über die Volkshochschule gewonnene Interessenten verantwortlich.

Weil sich immer mehr Kröten und Frösche schon im Februar auf Wanderschaft begaben, zog der NABU seine Aktion, die für den 23. Februar geplant war, vor. Das hieß: Viele Telefonate, viele Absagen. Doch am Samstag schaffte ein halbes Dutzend Naturfreunde an den Berglener Straßen und befestigten die Zäune.

Jedes Jahr, Ende Februar, Anfang März, wandern die Amphibien zu ihren Laichgewässern, in denen sie auch selbst geschlüpft sind. Dort laichen sie, das heißt, sie legen ihre Eier ab.

Ihr Weg führt meist aus Wäldern, in denen sich die Tiere im Winter verstecken oder eingraben, zu Teichen oder Seen. Im Grunde birgt der Weg für die Tiere keine Gefahren, wären da nicht die von Menschen so geliebten Fortbewegungsmittel: die Autos. Sie benötigen bekanntlich Straßen, die zum Leidwesen der Tierschützer viel zu oft die programmierten Wanderwege von Kröte & Co. zu den Laichgewässern kreuzen.

Wo sich zwei Formen der Mobilität, also mit auf der Tierseite schweren Folgen, ins Gehege kommen, greift der NABU ordnend ein. Die Mitglieder bauen an den Straßenrändern niedrige Zäunchen auf, die eher dicht gewebten Bändern gleichen, keineswegs grobe Maschen aufweisen. Metallstangen, die in den Boden gesteckt werden, halten die Bänder. Für die NABU-Leute ist es wichtig, die Zäune so aufzubauen, dass kein Tier unter ihnen durchschlüpfen kann. Denn der Drang der Tiere, über die Straße zum Gewässer zu gelangen, ist unvorstellbar groß.

Die Amphibien bleiben also bei sauberer Anbringung an den Zäunen hängen, werden abends von den Mitgliedern des NABU eingesammelt und über die Straße getragen. Im vergangenen Jahr wurden auf diese Weise 3684 Tiere gerettet; hauptsächlich Erdkröten, aber auch Molche und Frösche.

Diese Spitzenzahl ist Teil einer Statistik, die Günter Blessing seit dem Jahr 1995 führt. Interessant ist, dass nach dem Anfangswert von 1870 gesammelten Amphibien im Jahr 1995 die Stückzahl zunächst sank auf 1400 bis 1500 in den drei Folgejahren. Seit 1999 indes steigt die Zahl der Kröten in den Eimern der Naturschützer kontinuierlich an: erst auf 2120, dann auf 2500 im Jahr 2000. Je mehr Amphibien es also unbeschadet zum Laichgewässer schaffen, desto mehr Nachkommen folgen ihnen im nächsten Jahr.

In der Winnender Umgebung gibt es mindestens drei Stellen, an denen man die kleinen, grünen oder gelben Zäune sehen kann: Bei Hößlinswart, hier wandern die Tiere zu einem großen Fischteich, zwischen Erlenhof und Kottweil, hier gibt es sumpfige Feuchtgebiete, und bei Lehnenberg (Ziel der Wanderfrösche: ein Privatteich).

Trotz der Krötenzäune behält die Bitte an die Autofahrer Gültigkeit. Fuß vom Gas! Bei Tempo 40 sind auch die Naturschützer auf der etwas sichereren Seite, wenn sie gegen 20 Uhr, in Hochzeiten der Froschwanderung auch mehrmals in der Nacht, am Straßenrand Amphibien aufklauben.


Seit 1999 steigt das Amphibien-Aufkommen an der Straße kontinuierlich an, ablesbar in der Statistik Blessing