Presseartikel aus der Winnender Zeitung vom Mittwoch, 5. Mai 2004

Eitel Sonnenschein, wenn‘s um die Idylle geht

Oberes Zipfelbachtal soll Naturschutzgebiet werden / Gemeinderat begrüßt einhellig die Initiative des Landes

Von unserem Redaktionsmitglied

Barbara Pienek, Winnenden.

89 Vogelarten zwitschern im Zipfelbachtal und allein 18 verschiedene Schnecken kriechen gemütlich vor sich hin. Damit auch die Streuobstwiesen und Auwälder so bleiben wie sie sind, soll die Idylle, die sich auf 41,5 Hektar zwischen Breuningsweiler und Hanweiler erstreckt, Naturschutzgebiet werden.

Geht‘s um das obere Zipfelbachtal, dann herrscht im Gemeinderat eitel Sonnenschein. Dass aus dem reizvollen Tal mit Seitenklinge und Teilen des Sonnenbergs ein Naturschutzgebiet werden soll, dafür stimmten nicht nur die drei umweltpolitisch engagierten Stadträte der Alternativen Liste. Die „erstaunliche Vielfalt von Pflanzen und Tieren“ hält auch Richard Fischer mit der gesamten CDU-Fraktion für schützenswert. Für den Erhalt des „reizvollen, schönen Gebiets“ plädierte auch SPD-Chef Andreas Herfurth. Und keine Gegenwehr von der Freien Wählervereinigung - schließlich sei man als Verein der Heimat verbunden, stellte Hans Ilg in der Sitzung fest.

Zu entscheiden, ob und wann das 41,5 Hektar große Landschaftsschutzgebiet aufgewertet wird, haben die Stadträte allerdings nicht. Die Initiative ging vom Regierungspräsidium Stuttgart aus. Winnenden und Waiblingen, auf deren Gemarkung das Gebiet liegt, sind lediglich zu einer Stellungnahme aufgefordert worden. Anfang bis Mitte 2005 soll das Vorhaben aller Voraussicht nach in die Tat umgesetzt werden. In Angst und Schrecken muss dies Stücklesbesitzer, Jäger, Waldbesitzer und Fischer allerdings nicht versetzen: Auch wenn das obere Zipfelbachtal zum Naturschutzgebiet wird, können sie in bisherigem Umfang weiterwirtschaften. Ausgedehnt werden darf die Nutzung aber nicht. Zum Schutz von Tieren und Gewächsen dürfen keine Pflanzen eingesät, abgetrennt, beschädigt oder zerstört werden. Standorte besonders geschützter Pflanzen dürfen nicht einmal betreten werden. Das Gleiche gilt für Nist-, Brut- und Wohnstätten wild lebender Tiere. Hunde dürfen nur an der Leine im Naturschutzgebiet Gassi gehen. Es ist verboten, die Wege zu verlassen, zu reiten, zu zelten oder im Zipfelbach zu baden. Dennoch würde es die Stadt Winnenden begrüßen, wenn das Jungschar-Zeltlager der evangelisch-methodistischen Kirche weiterhin dort stattfinden könnte. Verboten ist weiterhin, im Naturschutzgebiet Straßen, Wege oder Plätze anzulegen. Das Gleiche gilt für fließende oder stehende Gewässer. Plakate, Bild- oder Schrifttafeln dürfen ebenfalls nicht angebracht werden.

Das hat alles seinen Sinn: Schließlich handelt es sich beim oberen Zipfelbachtal nicht nur um ein optisch reizvolles Gebiet. Die Idylle hat noch ganz andere Qualitäten: „Das reiche Artenvorkommen, die Vielfalt der Lebensräume und die relativ extensiven Nutzungen dokumentieren die hohe ökologische Wertigkeit des Naturschutzgebietes“, heißt es im Verordnungsentwurf des Landes. 347 Blütenpflanzen, zehn Farne und 40 Pilze wurden im Zipfelbachtal gezählt. Allein elf dieser Pflanzen stehen als gefährdete Arten auf der Roten Liste. Es gibt Gehölze, Wälder, Schluchtwald, Wirtschaftsgrünland und Streuobstwiesen im Zipfelbachtal. Magere Mähwiesen, Brachflächen und Hochstaudenfluren, Nasswiesen und Tümpel findet man außerdem im Tal, wo es allein 13 Amphibien- und Reptilienarten gibt. 157 Schmetterlings-, elf Kleinsäuger- und zwölf Heuschreckenarten leben dort. Außerdem wurden im Zipfelbachtal 58 verschiedene Käfer entdeckt, 36 verschiedene Libellen, 18 Schnecken- und 15 Spinnenarten. 89 Vogelarten leben im Gebiet südlich von Winnenden und 70 verschiedene Wanzen. Eine Vielzahl dieser Tiere gelten obendrein als gefährdet. Es muss also kein ausgewiesener Umweltschützer sein, wer diese Artenvielfalt erhalten will.