An der Schwelle zum Greis
oder: Mal wieder Gedanken übers Altern
In
wenigen Tagen, man kann es an einem Paar Finger abzählen, werde
ich sechzig Jahre alt. Du meine Güte, ICH??? „Ha noi,
iiii‘ doch net!“
Also, da stimmt was nicht. Sechzig
sind alte Männer mit Glatze, zitternden Händen und
schmutzigen Hosen. Solche, die so tun, als wären sie noch fit, und
man sieht es ihnen von Weitem an: Ein alter Sack.
Dagegen wehre ich mich, denn ich WILL nicht alt sein und es gibt hierfür auch absolut nicht die geringsten Anzeichen.
Gesundheit?
Also bitte, da ist alles im froschgrünen Bereich! Gut, der
Rücken macht Probleme, aber das haben schon die Jungen. Doch ich,
ich nehme noch heute zwei Treppenstufen auf vier Mal, keine Frage!
Freilich, schnaufen fällt da manchmal schon schwer, aber die Luft
ist auch in den vergangenen Jahren sehr viel schlechter geworden, oder?
„Wie,
Einlagen?“ fragte ich meinen Orthopäden, „Einlagen in
die Schuhe?! Das hat meine Tante Erna erst mit 84 Jahren bekommen und
ich soll jetzt mit noch gültigen Neunundfünfzig so was
benützen?“ Es ist nicht zu fassen, wo ich mich doch fit wie
Jerry Cotton in seiner besten Zeit fühle: Dynamisch, sportlich,
attraktiv, bewundert und begehrt.
„Ja“, meinte
dieser an sich sympathische Mensch, „sowas bekommen sogar
Kleinkinder, das hat mit dem Alter nichts zu tun, aber es muss einfach
sein!“ Dummerweise verstand ich „Pfadfinder“ weil ich
nicht mehr so gut höre, aber das brauchte der ja nicht zu wissen,
und wenn die das sogar tragen....
Ich gab mich daher mit seiner
Antwort zufrieden und dachte, dass es mir ja mit diesen Schuheinlagen
wieder besser ginge. Mit dem Laufen.
Dass ich schlechter
höre, hat, wenn man als Privatier - oder nun als Rentner - viel
mit seiner Frau zusammen ist, auch seine Vorteile. Zugeben werde ich
das aber auf keinen Fall !! Nicht, dass ich meine Liebste nicht sehr
mag und um nichts in der Welt hergeben möchte, aber sie hat
einfach immer so viel für mich zu tun, das nichts mit meinen
Hobbys wie Modellbahnbasteln oder nach Pflanzen oder Gefiederfreunden
zu suchen zu tun hat. Und wenn man da dranbleiben kann.......
Meine
große Leidenschaft in den letzten Jahren ist nämlich zu
wandern und meine Kenntnisse in der Natur zu erweitern. Gerade wegen
des Lerneffekts macht es riesig Freude, neue Pflanzen und Tiere kennen
zu lernen und auch neue Gegenden zu durchstreifen, denn selbst ums Haus
kennt man noch lange nicht alles. Da bin ich froh, dass ich meine Frau
dabei habe, nicht wegen der Pflanzen, bis jetzt fand sie immer wieder
nach Hause.
Etwas betrübt verließ ich dann die
Arztpraxis und stolperte über so einen blöden grauen
Fußabstreifer, der dort, als ich kam, mit Sicherheit noch nicht
lag. Kann es sein, dass sich Brillengläser durch häufiges
Hindurchgucken und Putzen abnützen?
Federnden Schrittes und
froh gelaunt schlenderte ich nach Hause, wo meine liebe Frau bereits
das Mittagessen fertig hatte: Mein Leibgericht, Linsen und Spätzle
mit Saitenwürstchen!
Gut, Gemüse wie Linsen, Kraut,
Gurken und Rettiche vertrage ich in der letzten Zeit nicht mehr ganz so
problemlos, aber dafür gibt es dann ein guten Grund, ein
Schnäpsle (oder deren zwei - zur Vorbeugung) hinterher zu schicken.
Doof
ist allerdings nur, dass ab einer bestimmten Menge der Alkohol mit
meinen Bluthochdrucktabletten nicht so richtig harmoniert und morgens
ein recht saures Aufstoßen hervorruft, aber es gibt ja Rennie.
Neulich,
ja neulich habe ich, obwohl man sie ja lutschen soll, dummerweise auf
so ein Rennie gebissen und da ist mir eine Ecke von meinem oberen
Schneidezahn abgebrochen. Mann, hatte ich ein Glück, dass ich seit
einigen Wochen eine Prothese trage!
Wenn ich so andere Leute in
meinem Alter anschaue, denke ich oft, was das eigentlich für alte
Knacker sind, mit diesen paar Jährchen. Da hocken sie das halbe
Leben beim Doktor rum und jammern über ihre Wehwehchen; das habe
ich nicht nötig!
Mal ehrlich: Da tragen sie
Perücken, die man schon meilenweit erkennt, diese eitlen Fatzkes.
Pah, mein Toupet ist perfekt eingeflochten!
Ich, ich fühle
mich wirklich noch wie Jerry Cotton; allerdings denke ich manchmal,
wird der wohl auch etwas älter geworden sein. Ob der wohl auch
Pillen gegen Blutfett und Prostatitis nimmt?
Das Wichtigste ist trotz alledem, dass der Kopf noch mitmacht!
Keiner
kann mir nachsagen, ich sei bereits vergesslich, oder verlege dauernd
etwas. Ich reagiere nur verzögert, und wenn man mal über 30
ist, kann das vorkommen, pah! Okay, manchmal gehe ich in den Keller und
dann weiß ich nicht mehr, was ich dort unten wollte, blöd
ist nur, dass ich mich in dem Moment auf dem Speicher wiederfinde. Aber
auch das ist kein Drama, solange es nicht in einem fremden Haus ist,
gell!.
Ganz wichtig ist auch, dass meine Frau zu mir hält
und mit mir zufrieden ist. Vorhin hat sie so sonderbare Andeutungen
gemacht. Ob sie wohl heute Nacht noch etwas..........?
Kein Problem!
Zur Not tue ich so, wie wenn ich wieder einen Bandscheibenvorfall hätte!!
27.10.2006/w.p.